Feb 152018
 

»Alles Geld der Welt« bringt den Entführungsfall Getty auf die Leinwand

Wohl seit Beginn der Neunziger leidet Ridley Scott am Ruf, nie wieder auf das Niveau seiner frühen Streiche »Alien« (1979) und »Blade Runner« (1982) gelangt zu sein. Dieser Ruf ist ebenso ungerecht wie berechtigt. Ungerecht, weil seither ein halbes Dutzend weiterer Scott-Filme durchaus gutes Kino waren und mit dem »Marsianer« (2015), wie ich glaube, ein Werk gelungen ist, das jedem Vergleich standhielte. Berechtigt jedoch, weil der frühe Scott eine ästhetische Linie markiert hatte, die er seit langem verlassen hat. Scott ist heute mehr Könner als Künstler. Was er anpackt, wird was, und selbst, wenn er Mist baut, bleibt er noch genießbar. Aber es fehlt zu oft die besondere Idee der Gestaltung, die die Bilder nicht bloß schönmacht, sondern selbst zur Mitteilung werden lässt. Es fehlt der Stil. Continue reading »

Feb 082018
 

Die Dokumentation »Playing God« macht Kenneth R. Feinberg zur Charaktermaske des Monats

Ein Mann sitzt vorm stumm laufenden Fernseher, es spielt Musik. Er liebe den Kontrast. Natürlich, sein Beruf ist ja die Vermittlung. Was er nicht sagt: Die Musik überspielt den Ton. Endlich wird nicht mehr geredet. Leider hört er dabei nicht auch selbst auf zu reden.

Was tut Ken Feinberg? Man ruft ihn, wenn Lagen eingetreten sind, deren juristische Folgen auch für Konzerne fatal wären. Das ist die erste Pointe, die sich der Dokumentation Continue reading »

Jan 252018
 

»Letzte Tage in Havanna« wirft einen Blick auf das Thema der kubanischer Auswanderung

Gemächlich, kaum dramatisch, dafür reichlich zerredet schleppt sich die Handlung dahin. Doch es liegt, nicht zu übersehen, eine genaue Gestaltungsabsicht zugrunde. Die schönen Bilder und effektvollen Kamerafahrten machen eine Ästhetisierung der Umgebung, die in den Eindrücken des ärmlichen Havanna so gut versteckt ist, dass sie mit dem Auge allein gar nicht mehr zu sehen ist. Das Heruntergekommene wird erst auf der Leinwand kulinarisch. Continue reading »

Sep 242017
 

Über den langen Arm charismatischer Herrschaft

und ein paar Grundrechenarten

 

Turkmenbaschi schlägt sie alle. Den Putin mit seinem Körperkult, den weltbesten Golfer Kim Jong-il, den Erdogan, der selbst im Palast noch wie ein Staubsaugervertreter wirkt, sowieso. Er, der den April nach seiner Mutter benennen ließ, war der König der komischen Könige. Doch sein Los ist tragisch. In der Zeit noch des frühen Internets verstorben, blieb ihm eine Karriere als Star auf imgur, Twitter & Facebook verwehrt. Der Autokrat von heute ist Popstar und Witzfigur. Wo früher Insignien glänzten, legt sich eine Patina von Anekdoten & Legenden, Memes & Gifs, Videos & Feeds um ihn. Ausgemacht scheint, dass unser Bild weitaus mehr durch diese Beiläufigkeiten bestimmt ist als durch offizielle Verlautbarungen. Und indem sich dies Beiläufige vors Offizielle schiebt, gerät auch der blutige Charakter der verhöhnten Herrschaft in den Hintergrund. Continue reading »

Sep 112017
 

Fragen, die die AfD sich stellt

Zu einer Tendenz, dernach unerfreulich unwenige Linke nach rechts streben, weil jeder, der auch »Brot und Arbeit« schreit, unbedingt ein Linker, mindest ein unbewusster, sein müsse, gehört auch das Streben von Rechten nach links. Man kann nur kaufen, was auch im Angebot ist. Wie aber kommt es, dass ein Linker, der sich nach rechts anschlussfähig macht, aufhört, ein Linker zu sein, während die Bestrebungen zum selben Bündnis von rechts her stets ihren fängerischen Charakter behalten? Wieso fällt immer links auf rechts rein, und nicht umgekehrt? Ich denke nicht, dass auf der Rechten das gewieftere Personal sitzt oder das diszipliniertere. Ich denke, es liegt an dem, was Linkssein und Rechtssein unabhängig von ihrer gegenläufigen Tendenz unterscheidet. Continue reading »

Feb 082017
 

Sieben Noten zur Antrittsrede von Donald Trump

Es fällt schwer, den Trump an Trump auszublenden. Den stets deplaciert wirkenden Hampelmann, narzisstischen Wichtigtuer mit Syntax und Wortschatz eines Viertklässlers, das Arschloch, das Behinderte nachäfft und Frauen wie Dreck behandelt, den hochmütigen Narren, der seine Unbildung für einen Vorzug hält. All das, und was dergleichen mehr ist, trübt den Blick auf die Politik, die sich in seiner Antrittsrede vorzeichnet. Man tue sie sich daher nicht als Aufzeichnung an, sondern lese sie. Das ermöglicht, Trump als politischen Akteur ernst zu nehmen, der etwas will und etwas verspricht. Continue reading »

Jan 102017
 

Vor 90 Jahren hatte Fritz Langs »Metropolis« Premiere.

Wer den Film gesehen hat, ist selbst schuld

 

Der Stummfilm ist eine Laune der Natur. Ein unvollständig zur Welt gekommenes Genre, das nach kurzer Blüte vom Tonfilm verdrängt wurde. Möglich, dass auch das an Langs »Metropolis« verdrießt, der ungeheuer aufgepumpt noch einmal alles herausholte, was an Tugenden und Macken in der untergehenden Kunstform steckte. Ein wenig Unsicherheit mag hier bleiben, da der Film nicht vollständig erhalten ist und die hinzugeführten Elemente der spät restaurierten Fassung von 2010 stark gelitten haben. Obgleich statt der Lang-Fassung also bloß eine Langfassung greifbar ist, scheint heute ein wenigstens ungefährer Eindruck dessen möglich, was am 10. Januar 1927 bei der Premiere über die Leinwände ging. Continue reading »

Okt 262016
 

Über den eisernen Satz einer hölzernen Lady.

Das innerste Bekenntnis des Thatcherimus

 

Margaret Thatcher dürfte gewusst haben, was folgt, als sie am 23. September 1987 jenen Satz sprach, der eine Woche später im »Woman’s Own« publiziert wurde.[1] Derart wider das Offensichtliche redet man nicht, außer um der Wirkung willen. Es steht damit nicht anders als mit dem Gebrabbel des greisen Grass oder den aparten Thesen Sarrazins. Gerade Unzureichendes taugt zum innersten Bekenntnis. Der wahre Held fühlt seinen Mut erst dann, wenn er es nicht bloß mit dem Gegner, sondern auch mit der ganzen Wirklichkeit aufnimmt. Continue reading »

Aug 242016
 

Ein Gespenst geht um in Europa. Es trägt eine Burka. Alle Mächte des alten Europa, geistige und materielle, haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dies Gespenst verbündet. Und das ist auch gut so.

(1) Offenbar gibt es keine zwei Meinungen bezüglich der Burka selbst. Der Streit geht lediglich um die Frage, wie das, was man nur ablehnen kann, gesellschaftlich zu behandeln ist. Soll man die Burka einfach hinnehmen oder ihr Zeit geben, durch gesellschaftliche Emanzipation zu verschwinden, oder auf Geduld und Aufklärung setzen oder meint man, vor allem mittels gesetzlicher Restriktion das Problem eindämmen zu können. Zwischen diesen Ansätzen etwa bewegen sich die vorgetragenen Ansichten. Kaum jemand kritisiert das angeregte Verbot, weil er die Burka selbst als Wert sähe. Continue reading »

Jun 272016
 

Vielleicht noch ein Nachtrag zur Linken und ihrem Verhältnis zur Unterschicht. Ich habe vor ein paar Tagen die ZEIT zitiert: »Junge Linke haben Bezug zur Unterschicht verloren« und etwas launig kommentiert: »Das soll wohl auch noch ein Vorwurf sein.« Das klingt lustig, und wie alles, was lustig klingt, stimmt es nur zur Hälfte. Continue reading »

Jan 222016
 

Die Gewohnheit, eher nichts zu sagen als etwas Selbstverständliches oder bloß Tatsächliches, die gefühlte Pflicht, dass eine Nachricht ohne (intellektuelle oder gestische) Pointe eigentlich keine ist, bereitet schlechtes Gewissen, wenn man z.B. so etwas weitergibt wie die Meldung, dass die 62 reichsten Menschen der Welt genauso viel besitzen wie die 3,5 Milliarden ärmsten. Es ist nichts dabei. Es ist die blanke Realität, die jeden erschüttern muss, der sich das Menschliche in sozialen Fragen noch nicht ganz abtrainiert hat. Mehr gibt es daran nicht zu verstehen. Kein Theorem, keine Pointe, keine vertrackte Wendung. Nichts als nackte Tatsache, die praktisch schon selbst zu ihrer Abschaffung auffordert. Wir müssen endlich anfangen, damit aufzuhören, die Mitteilung erschütternder Tatsachen für keine Nachricht zu halten. Ein wenig mehr ceterum-censeo-Mentalität stünde uns gut zu Gesicht. Continue reading »

Jul 202015
 

Blatters Abgang stimmt traurig. Er allein noch hätte die Menschheit versöhnen können. Als Feind. Innere Einheit braucht Feinde. Der Blatter Sepp war ein global agierender Schurke, gegen den selbst einer wie Mayer-Vorfelder seine moralische Dignität spüren konnte. Und anders als Dr. Manhattan musste er nicht einmal auf den Mars fliegen, um die Menschheit gegen sich zu vereinen. Es reichte vollkommen, dass er war, wie er war. Continue reading »

Feb 242015
 

Menschen, die mit dem Unterleib denken, gibt es gar nicht so wenige. Da ist nämlich kein günstigerer Nährboden für politische Irrationalität als das Gefühl der Ohnmacht, und ohnmächtig samma alle. Deshalb sind es so viele – und so viele aus der weiß-nichts-kann-nichts-Abteilung. Muss man sich mit ihnen beschäftigen? Nun sicher, es gibt Wichtigeres. Das Weltall zum Beispiel. Doch wenn sie auch nichts zu sagen haben, sie haben dauernd das Wort, und wer redet, hat Macht. Das Problem dabei ist, dass man sich im Verfolgen von Unterleibsgedanken stets vorkommt, als schnüffle man an einer Unterhose. Man fühlt sich wie ein Belästiger, also belästigt. Continue reading »