Das Übel um Sahra Wagenknecht begann lange vor ihrer neurotischen Jagd auf dusslige Wählerstimmen, die die Linke in einer Zeit, da rechterseits noch keine selbstbewusste Kraft etabliert war, ohnehin immer nur geborgt hatte. Es begann Ende der Neunziger Jahre, als Wagenknecht den Leninismus entsorgt und die kommunistische Opposition innerhalb der PDL zerschlagen hat. An deren Stelle trat zunächst ein diffuser Antiimperialismus und schließlich ein nach rechts offener Populismus. Immer stramm mit der Zeit, denn wo Schröder und Chirac 2003 den Antiamerikanismus nutzbar machten, durfte man den Anschluss genau so wenig verpasst haben wie 2015 beim Ruck nach rechts, der bis heute das Denken und die politischen Zuordnungen verwirrt.
Dass Wagenknecht jetzt geht, tut nichts mehr. Sie ist ersetzbar; sie war es mal nicht. Für die enorme Bremsleistung, die sie aufgrund ihrer charismatischen Wirkung hatte, ist sie in der Tat ganz persönlich verantwortlich. Auch wenn Opportunismus das zwingende Resultat dieses Betriebs ist, es gibt einen Unterschied zwischen denen, die sich dabei noch anstrengen, und denen, die es einfach laufen lassen, zwischen denen mithin, die geschickt agieren, und denen, die bloß herumirren.
Wagenknechts Wahl bestand nicht zwischen einer besseren und einer schlechten Parteikarriere, sondern zwischen Theorie und Praxis. Ihre Verdienste bleiben, nicht einmal sie selbst konnte sie später nivellieren. Ich meine Publikationen wie »Vorwärts und vergessen?«, worin formuliert wird, was von marxistischer Seite der Kritischen Theorie zu entgegnen ist, »Antisozialistische Strategien«, die den Kalten Krieg als Krieg um die Köpfe beschreiben, »Vom Kopf auf die Füße?«, das die materialistische Substanz Hegels freilegt, und »Zu jung um wahr zu sein?«, worin Wagenknecht einen antikommunistisch gestimmten Fragesteller in die Schranken weist und im Vorbeigehen noch eine Art »Was tun?« entwirft.
Niemand als sie hätte das (zumindest damals) schreiben können. Heute fehlt ihr zu beidem — der politischen Bremsarbeit und der theoretischen Grundlagenarbeit — die Kraft, für erstere die physische, für letztere die intellektuelle. Der theoretische Weg ist nicht per se der tugendhaftere, aber er hätte ihr vielleicht gestattet, Kommunistin zu bleiben. Als Herakles an der Weggabelung zwischen Kakia und Arete stand, wusste er: Niemand kann zwei Leben leben.
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