Mrz 282019
 

»Ein Gauner & Gentleman«

Vermutlich war der notorische Bankräuber Forrest Tucker einfach ein glücklicher Mann – wenn nämlich Glück bedeutet zu tun, was man kann, und zu können, was man tut. Auch Robert Redford kann, was er tut, tut aber künftig nicht mehr, was er kann. Jener Tucker soll, wie man hört, die letzte Rolle seiner Laufbahn werden. Dass der große Schauspieler aufhört mit einem Mann, der nicht aufhören konnte, ist die erste Pointe dieses provokativ gemütlichen Films. Der Originaltitel übrigens erinnert gleichfalls eine Figur, die in ihrer Berufung kein Ende finden wollte: Hemingways ewigen Fischer Santiago.

Als Tucker im Alter von 79 Jahren das letzte und nun endgültige Mal ins Gefängnis wanderte, lag eine 64 Jahre zählende Karriere als Dieb und Bankräuber hinter ihm, in deren Ablauf er es überdies auf unglaubliche 18 Gefängnisausbrüche brachte. »Ein Gauner & Gentleman« erzählt die letzten Monate in Freiheit, und mit Fug. Der freche Witz dieses Gauners hätte am nimmermüden, umtriebigen Fluchtverhalten gewiss einen dankbaren Stoff gehabt, dennoch wäre etwas ganz anderes, sehr viel turbulenteres herausgekommen als dieser Film hier, der das sichere Gespür des Regisseurs David Lowery für Tempo, Atmosphäre und Spiel verrät. Tucker steht an einem Punkt im Leben, worin der Gedanke des Ruhestands eine späte, nie geplante Faszination erhält. Indem er zufällig Jewel begegnet und sich verliebt, entfaltet sich der klassische Konflikt zwischen Trieb und Selbstverwirklichung, denn Tucker raubt keine Banken aus, um daran reich zu werden; er tut es aus Vergnügen.

Diese entspannt-ironische Altersunruhe, die sanfte Kollision steter Distanz und Verbindlichkeit, warmherziger Zuneigung und entschlossener Setzung eigener Interessen überträgt der Film auf alle Ebenen. Ohne so peinlich auf die Tube zu drücken, wie etwa »Captain Marvel« zur Zeit in den Kinos, wird ein Retro-Setting geschaffen, das nicht nötig hat, sich an einer Kanonade von Anspielungen kenntlich zu machen. Gedreht wurde im nostalgischen 16mm-Format, die Beleuchtung gibt sich bescheiden, bei den Farben dominieren mattes Gold, Beige-, Braun- und Sepia-Töne. Club- und Jazz-Musik bleiben stets dem Temperament der Szene angemessen und treiben die Handlung gleichmäßig voran. Nicht nur dieser Griff erinnert an klassische Heist- und Gauner-Filme.

Redford, Spacek, Waits, Glover, Affleck – eine solches Ensemble könnte kraft Charismas leicht über mögliche Unstimmigkeiten hinwegspielen. Nur ist das hier gar nicht nötig. Die Darsteller werden organisch: wie der Ermittler Hunt seine Kinder in die Deduktion einbezieht, wie das herausfordernd flirtendende Liebespaar glänzt, wie das skurrile Gaunertrio sein beiläufiges Miteinander spielt, das die gemeinsamen Jahre verrät, wie Hunt und Tucker als Antipoden in einer brillant komponierten Begegnungsszene zwischen Piss- und Waschbecken ohne großes Wortgepäck Eindruck machen, das selbst Pacino und de Niro in »Heat« noch benötigten.

Dieser Vergleich ist fordernd, aber in einer andern als filmischen Hinsicht. Gerade die Erinnerung an das Bankraub-Movie »Heat« oder das Ausbrecher-Drama »Cool Hand Luke« – Forrest Tucker, wie gesagt, war Spezialist für beides – deckt die manipulative Seite des Films auf. So entzückend, stilsicher und intelligent der Film sich darstellt, das Bild des ehrbaren Gauners wird einfach überdehnt. Wo Neil McCauley im Zweifel über Leichen geht und Luke Jackson an infantilem Starrsinn scheitert, wird Forrest Tuckers asoziale Seite retuschiert. Das Ganze mag als Vorschein des wahrhaft freien Menschen angedacht sein, aber es muss in sich zurückfallen, weil diese Freiheit auch bloß auf Verbrechen beruht. Diese Spannung hält der Film nicht aus und bedient stattdessen den Wunsch nach prinzipieller Überschreitung ziviler Prinzipien. Im Bild des Gentleman-Gauners ist die gefühlte Bevormundung durch den Staat verarbeitet, mit seiner Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz. Der Staat als Einrichtung wäre erst dort überflüssig, wo das Zusammenleben der Menschen sich von selbst zum Besten regeln könnte, also nirgends je. Das gemütliche Postulat des ehrbaren Gauners ist folglich zänkisch. Dass er miese Ding auf edle Weise treibt, soll mitteilen: Er bricht durchaus das Gesetz, aber nur, weil er besser als es ist.

»Ein Gauner & Gentleman« [»The Old Man & the Gun«]
USA 2018
Regie & Drehbuch: David Lowery
Darsteller: Robert Redford, Casey Affleck, Sissy Spacek, Tom Waits
Länge: 93 Minuten
Starttermin: 28. März 2019

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in: ND v. 28. März 2019.

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