Mrz 152019
 

»Destroyer«

Der Star ist nicht die Mannschaft. Nicht das Drehbuch. Nicht die Regie. Der Star ist der Star. Es ist Nicole Kidman. Ausgerechnet sie, die ewig junggebliebene, makellose, die oft ihr Können bewiesen hat, behauptet sich hier ganz gegen ihr Profil. Weiblichkeit soll unterm Spiel vergraben werden, Ekel ist kalkuliert, wie zuletzt bei Melissa McCarthy in »Can You Ever Forgive Me«. Es mag Härteres gegeben haben. Nie, meine ich, wurde eine bis auf den Grund zerstörte, von Schuldgefühl zersetzte Persönlichkeit so intensiv und einnehmend gespielt wie in »Destroyer«.

Diese toten, kalifornisch verbrannten Augen, mit denen der Film eröffnet, verfolgen einen noch lange, nachdem er rum ist. Das Make-up ist die eine Seite, die andere Kidmans Spielweise und Körperlichkeit. Die gedämpfte Stimme, das Gesicht in Furchen, die taumelnd unrhythmische Gangart, die dünnen Beine, die die Alkoholikerin verraten. Das Klischee vom letztlich doch schönen Innern unter der rauhen Schale wurde vermieden. »Destroyer« erzählt die Geschichte eines Menschen, der wieder gut sein möchte, aber verlernt hat, wie das geht.

Man erhält die Wahrheit in kleinen Portionen und keineswegs der Reihe nach. Am Beginn der Handlung erscheint die Polizistin Erin Bell (Nicole Kidman) an einem Tatort in L.A. und teilt ihren Kollegen mit, dass sie wisse, wer das unbekannte Opfer getötet habe. Vermittels Rückblenden wird deutlich, dass sie vor 17 Jahren als verdeckte Ermittlerin des FBI einer Gruppe von Bankräubern angehörte. Deren Anführer Silas (Toby Kebell) ist gerade wieder frei, und Erin hat etwas zu begleichen. Nebenher versucht sie, verdorbene Familiendinge mit ihrem Ex-Mann Ethan (Scoot McNairy) und ihrer Tochter Shelby (Jade Pettyjohn) in Ordnung zu bringen.

Einfache Fabeln werden gern komplizierter erzählt, so dass die Abfolge der Erzählung sich von der des Geschehens unterscheidet. Auch »Destroyer« hat, die Zeitsprünge abgezogen, eine Fabel ohne nennenswerte Verwicklungen oder Gewundenheiten; das simple Stationendrama lässt sogar den Twist erahnbar werden. Die Sprünge aber zwischen den Zeitebenen haben gestische Funktion; sie machen nicht bloß Effekte, sie drücken was aus. Erin lebt in der Erinnerung; ihre Persönlichkeit ist vollends zerstört. Das Streumuster der Rückblenden scheint darauf zu zielen, Verwirrung zunächst zu mehren, ehe Verständnis eintritt. Hinzukommt, dass die Rückblenden auch unter sich nicht geordnet sind; sie springen ans Ende, den Anfang, mitten hinein, die Informationen sind mal nebensächlich, mal wesentlich. Auf die Art wirken die Rückblenden weniger wie ein narrativer Griff, sondern tatsächlich wie die persönliche Erinnerung der Heldin.

Erin muss, wird bald klar, große Schuld auf sich geladen haben und glaubt, das in Silas zur Strecke bringen zu können. Am Ende wird es darum gegangen sein, dass Streben nach Glück selbst zum Zerstörer geworden ist. Sie wolle, sagt Erin, einmal auf der anderen Seite des Lebens sein, und an dieser Stelle bereits hat der Zuschauer die Wahl, diese als Sonnenseite oder den Tod zu verstehen. Im Finale stellt sich dann eine befremdliche Art von Erlösung her. Die lange Zeit schleppende Musik bekommt sinfonischen Charakter, und das Gequälte der Handlung verwandelt sich in Harmonie, während die unruhige Kamera und die arhythmischen, oft überraschenden Schnitte in diesen letzten Minuten des Films einer gestochenen Bildkomposition weichen, in der sich eine innere Ordnung ausdrückt, gegen die der Film sich zuvor gestellt hatte.

»Destroyer«
USA 2018
Regie: Karyn Kusama
Drehbuch: Phil Hay, Matt Manfredi
Darsteller: Nicole Kidman, Toby Kebell, Sebastian Stan
Länge: 123 Minuten
Starttermin: 14. März 2019

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in: ND v. 14. März 2019.

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