Ich sage ja nicht, daß es unmöglich ist, daß einer ein Dissident und dennoch ein guter Poet sei. Es ist nur nicht wahrscheinlich. Dem Dissidenten wird internationales Wohlwollen zuteil, den Erfolg erlangt er, weil er für etwas steht. Diese Abkürzung zum Ruhm ist zu verlockend, doch von der Poesie gilt wie von allen anderen Fächern, daß wirklich gut nur ist, wer die Umwege geht. Das gilt natürlich auch für den Staatsdichter, dem der Erfolg national zugesprochen wird wie dem Dissidenten international. Um aber einen Nobelpreis zu erhalten, muß der Staatsdichter schon ein herausragender Dichter sein.
Es passiert folglich selten, daß der Nobelpreis für Literatur aus ästhetischen Gründen vergeben wird. Und noch das zu oft, findet Herta Müller, deren Erfolg ganz offensichtlich nicht durch die Qualität ihres Werks erklärt werden kann. Mo Yan wirkt unter der Schar konformistischer Dissidenten wie ein Rebell, beschämt also Müller, die ihrerseits Liao Yiwu nach seiner Blut-und-Boden-Rede in der Paulskirche umarmt hat, nicht nur durch sein Können, sondern auch durch seine Coolness. Dietmar Dath hat den Fall bearbeitet:
Ein Fernost-West-Zwist
Edelopfer Herta Müller
Schreibt mit ihrem Edelfüller
Abermals die Presse an:
Keinen Oscar für Mo Yan!
Edelopfer Herta Müller
Spricht: »Ein Propagandabrüller
Der die Stasi Chinas lobt
Soll sich schämen!« (Herta tobt).
Schreibend schwieg der Angeklagte.
Wie schon weiland Wieland sagte:
Wo ein Edelopfer spricht,
Widerspricht man besser nicht.
Schweigend schrieb der Angeklagte.
Und als sein Parteitag tagte,
Fand der Chinas Strategie:
Lächeln, Schweigen, Ironie.
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